Neue Hoffnung fürs Mittelalter-Erbe

Die Judengasse ist ein bedeutender Ort Trierer Geschichte, aber in ihrem jetzigen Zustand auch ein Schandfleck. Das wollen Trier-Gesellschaft, Stadt und Uni mit einem Gemeinschaftsprojekt ändern.

Foto: Roland Morgen

Birgit Spitzley ist eine von Triers 130 Stadtführerinnen und die Judengasse einer ihrer Lieblingsorte: „Das ist Mittelalter pur.“ Leider, so fügt sie hinzu, gelte das nicht nur in architektonischer, sondern auch in hygienischer Hinsicht: „Mitunter riecht und sieht es dort auch aus wie zu Zeiten, als es noch keine Kanalisation gab.“ Und es sei Touristen schwer zu vermitteln, warum das so ist. Der Hinweis darauf, dass es ja eine Kneipengasse sei, helfe da nicht wirklich: „Das erklärt nicht die Graffiti-Schmierereien und die schummrige Beleuchtung.“

Ein hochkarätiger Ort der Stadtgeschichte. Aber offenkundig völlig unter Wert präsentiert. Elisabeth Dühr, Chefin des Stadtmuseums Simeonstift, hat den Zustand der Judengasse im Kulturausschuss kürzlich als „für Trier äußerst blamabel“ bezeichnet

Der Missstand soll bald Vergangenheit sein. Die Stadt, der Denkmalrettungsverein Trier-Gesellschaft und die Universität haben sich zu einem Gemeinschaftsprojekt zusammengetan. Erste Ergebnisse sollen möglichst schon Ostern (Beginn der Tourismussaison) zu sehen sein, kündigt Karlheinz Scheurer, Vorsitzender der Trier-Gesellschaft, an. Ab kommender Woche werde die rund 800 Jahre alte Judenpforte, der Zugang zur Gasse vom Hauptmarkt her, optisch auf Vordermann gebracht. Scheurer: „Wir wollen zuerst den Anstrich und die Beleuchtung erneuern.“ Statt bisher fünf werde es künftig sechs Lampen geben, die mehr Licht spenden und auch die drei gemauerten Bögen der Pforte betonen.

10.000 Euro gibt die Trier-Gesellschaft dafür aus. Die gleiche Summe hat die Uni aufgebracht, um die optische Aufpeppung wissenschaftlich zu begleiten. Künftig sollen vier Info-Tafeln und eine Stele in den Sprachen Deutsch, Französisch und Englisch die Historie und die Bedeutung des Ortes erläutern. Per QR-Code (von Quick Response, deutsch: schnelle Antwort) gibt es weiterführende Informationen aufs internetfähige Mobiltelefon.

Der wissenschaftliche Part, für den das Arye-Maimon-Institut der Uni und Bauhistorikerin Marzena Kessler verantwortlich zeichnen, bietet einen echten Informations-Mehrwert gegenüber den bisherigen beiden Tafeln. Die befinden sich an der Judenpforte, die Nachfolger aber direkt an bedeutenden Stätten. So etwa am Haus Judengasse 2, dem 1235 erstmals schriftlich erwähnten ältesten jüdischen Wohnhaus Deutschlands. Info-Station Nummer fünf, eine Stele, wird auf dem Stockplatz stehen, der erst seit 120 Jahren ein Platz ist. Zuvor gab es dort eine dichte Bebauung als westlichen Abschluss des Judenviertels.

Diese jüdische Siedlung dürfte mit dem Hauptmarkt im zehnten Jahrhundert entstanden sein. Das Viertel umfasste das heute von Simeon-, Jakob- und Stockstraße und dem Stockplatz begrenzte Areal. Vor Mitte des 14. Jahrhunderts bildeten dort mehr als 300 Bewohner eine der größten Judengemeinden im deutschsprachigen Raum. Damals waren vier von hundert Trierern jüdischen Glaubens. Als Ärzte, Rechtsgelehrte, Kaufleute und Bankiers hatten die Juden großen Anteil an Triers hochmittelalterlichen Blütezeit. Der Pogrom von 1349 und die endgültige Vertreibung der 1418 durch Erzbischof Otto von Ziegenhain beendeten die Ära gewaltsam. Erst im 17. Jahrhundert bildete sich wieder eine jüdische Gemeinde. Jedoch nicht mehr am Hauptmarkt, sondern am Stadtrand im Bereich Weberbach/Rahnengasse.
Für das Judengasse-Projekt sucht die Trier-Gesellschaft weitere Unterstützer. Spenden sind online möglich über www.meine-hilfe-zaehlt.de

Kommentar

Alte Idee, gute Idee

So vergeht die Zeit, und so wenig wird erreicht. 2002 gab es große Pläne für die Judengasse, die weit über die heute angestrebte optische Aufpeppung hinausgingen. „Die Zeit ist reif für eine Informations- und Gedenkstätte“, sagte damals Altbürgermeister Paul Kreutzer und meinte damit ein jüdisches Museum an authentischem Ort: in der Judengasse. Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (Vorsitzender: Kreutzer) und Triers jüdische Gemeinde hatten dazu just ein Komitee gegründet. Auch damals waren Stadt und Uni mit im Boot. Protagonist Paul Kreutzer starb 2004 76-jährig, und mit ihm das ambitionierte und begrüßenswerte Unterfangen. Deshalb soll an dieser Stelle an die – wenn auch schwer zu realisierende – gute Idee erinnert werden. Damals gab es sogar schon einen Namen für das Museum, das auch Begegnungs- und Veranstaltungsort werden sollte: Es sollte benannt werden nach Adolf Altmann (1879-1944), Triers letzten Oberrabbiner, ermordet im Konzentrationslager Auschwitz.
r.morgen@volksfreund.de